Kulturgeschichte der Dahlie

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Gossip für Nerds: Die Dahlie

Die ersten europäischen Zeichnungen und Beschreibungen der Dahlie stammen von dem Botaniker Francisco Hernández de Toledo, einem spanischen Arzt und Naturforscher des 16. Jahrhunderts. Er wurde 1514 geboren und starb 1587. Nach seinem Medizinstudium an der Universität Alcalá wurde er 1567 zum Leibarzt König Philipps II. von Spanien. Hernández war ein intellektueller Zeitgenosse, der auch philosophisch gebildet war. Er stand in Kontakt und Austausch mit vielen Wissenschaftlern seiner Zeit und fand nach seinem Studium Interesse an der Botanik. Allerdings lebte Hernández in einer Zeit, als die Inquisition in Spanien aktiv war und einen erheblichen Einfluss auf das gesellschaftliche und intellektuelle Leben hatte. Um Konflikten mit der Inquisition zu entgehen, schickte Philipp der II. Hernández auf die erste wissenschaftliche Entdeckungsreise in die Neue Welt.

Der König und die spanische Krone erhofften sich von der Reise neue wissenschaftliche Erkenntnisse und ermutigten Hernández, eine Sammlung von wissenschaftlichen Informationen über die Flora, Fauna und Mineralien Mexikos anzulegen. Dies sollte dazu dienen, das Wissen über die Naturwelt Mexicos zu erweitern und auch medizinische Erkenntnisse über die Pflanzen und ihre potenziellen Heilwirkungen zu erlangen. Diese Expedition diente aber natürlich auch dazu, das wissenschaftliche und kulturelle Prestige Spaniens zu steigern. Das Sammeln von exotischen Pflanzen und Tieren aus der "Neuen Welt" galt in dieser Zeit als beeindruckendes Unterfangen.

Im August 1571 trat Hernández die Reise in die Neue Welt an, und im Februar 1572 erreichte die Expedition Veracruz. Drei Jahre lang bereiste die Gruppe um Hernández das Gebiet um Mexiko und Zentralamerika. Die Gruppe bestand aus Botanikern, Geographen und Zeichnern. Hernández' Forschungen betrachteten die Flora und Fauna rund um Mexico vor allem aus einer naturwissenschaftlichen und heilpflanzlichen Sicht. Zu seinen Funden gehörten Kakao, Tabak, Vanille, Ananas, Marakujas und viele halluzinogene Kräuter und Früchte.

In seinen Aufzeichnungen finden wir auch die ersten detaillierten Beschreibungen der Dahlie. Dort werden auch die ursprünglichen Namen der Dahlie genannt: "Acocotli", übersetzt als "Wasserschlund", und "Cocoxochitl" oder "Acocoxochitl", was übersetzt "Wasser-Knollen-Blüte" bedeutet. Eine seiner Abbildungen zeigt eindeutig halbgefüllte Dahlienblüten, was den Schluss zulässt, dass die Pflanze auch schon in Mexiko kultiviert und gezüchtet wurde, und es sich bei vielen der damaligen Blumen um Hybride handelte.

1. Januar 1804 - Scharlach Dahlie (leicht gefüllt)

Da die Knollen der Dahlie die weite Reise nach Spanien nicht überlebten, kamen mit Hernández zwar ihre Aufzeichnungen und Beschreibungen nach Europa, die Pflanze selbst ließ vermutlich noch auf sich warten. Erst etwa 140 Jahre nach den ersten Veröffentlichungen wurde wieder über die Dahlien berichtet. Etwa 1789 schickte Vicente Cervantes, der Leiter des botanischen Gartens in Mexico City, Dahliensamen an seinen Kollegen Antonia José Cavanilles im botanischen Garten in Madrid. Dieser säte die Samen aus und hatte 1790 die ersten blühenden Dahlien Europas. Da die Pflanzen bis dahin noch nicht wissenschaftlich beschrieben waren, gab er ihnen einen Namen. Zu Ehren des damals gerade verstorbenen schwedischen Botanikers Andreas Dahl (1751 – 1789) nannte er die neue Pflanzengattung Dahlia. Cavanilles zeichnete und beschrieb drei verschiedene Dahlienarten: 1790/1791 Dahlia pinnata und zwischen 1794 und 1796: Dahlia coccinea, und Dahlia rosea. Deutlich zu sehen ist bei der Zeichnung von D. pinnata der doppelte Kranz von Blütenblättern, was nach heutigen Erkenntnissen wiederum auf eine Hybride, eine Vermischung der Naturarten, schließen lässt.

Für den Gartenbau erlangte die Dahlie aber erst durch Alexander Humboldt tatsächliche Bedeutung. Alexander von Humboldt, ein berühmter deutscher Naturforscher und Entdecker des 19. Jahrhunderts, stieß auf seiner Reise nach Mexiko auch auf die krautig wachsende Pflanze. Während seiner Südamerikareise von 1803 bis 1804 sammelte Humboldt Samen und Pflanzen aus verschiedenen Teilen des Kontinents, darunter auch aus Mexiko.

Als Humboldt zurück nach Europa kehrte, schickte er Samen der Dahlien an den Botanischen Garten in Berlin. Dies geschah in einer Zeit, die oft als Ära des botanischen Aufbruchs und der Entdeckungen betrachtet wird. Viele neue Pflanzenarten und -sorten wurden aus der "Neuen Welt" nach Europa gebracht, was zu einem regen Austausch von Pflanzen und botanischem Wissen zwischen den Botanischen Gärten führte.

Die Dahlien, die aus Humboldts Samen gezogen wurden, fanden bald ihren Platz in den Botanischen Gärten in Deutschland, England, Frankreich und den Niederlanden. Dies trug dazu bei, die Beliebtheit der Dahlien als Zierpflanzen zu steigern und legte den Grundstein für ihre heutige Verbreitung und Vielfalt in Gärten auf der ganzen Welt.

Die Rolle von Alexander von Humboldt in der Einführung der Dahlien in Europa unterstreicht die enge Verbindung zwischen Entdeckungsreisen, botanischer Forschung und der Entwicklung des Gartenbaus.

Auch nach Paris gelangten Samen und Knollen von Dahlien. Dort stellte 1804 Andre Thouin, Inspektor des Jardin des Plantes, als erster eine Kultur- und Pflegeanleitung zusammen, die bei den Gartenzeitungen großes Interesse hervorrief.

Prof. Karl Ludwig Willdenow, der ab 1812 als Direktor des Botanischen Gartens von Berlin tätig war, sorgte kurzzeitig zu starken verwirrungen um den Namen der Dahlie. Im Jahr 1803 benannte er die Dahlie fälschlicherweise um und nannte sie "Georgina variabilis", zu Ehren des deutschen Botanikers und Reisenden Johann Gottlieb Georgi.

Dieser Namenswechsel führte zu Verwirrung, da Willdenow glaubte, dass der Name "Dahlia" bereits 1791 einer anderen Pflanzengattung zugeordnet worden war. Tatsächlich geschah dies erst 1792, sodass das ursprüngliche Benennungsrecht bei Cavanilles lag und die Dahlie weiterhin "Dahlia" genannt werden durfte.

Allerdings hatte sich der Name "Georgine" in weiten Teilen Norddeutschlands, Skandinaviens und den östlichen Ländern bereits durchgesetzt, bevor der Irrtum korrigiert und publiziert wurde. Auch heute noch taucht der Name "Georgine" gelegentlich auf.

Trotz dieser Namensverwirrung hatte dies keinen Einfluss auf den Siegeszug der Dahlie. Botaniker und Gärtner beschäftigten sich seitdem intensiv mit der Zucht und Kultivierung von Dahlien, was zu einer beeindruckenden Vielfalt an Sorten und Farben geführt hat. Schon 1818 sind dann praktisch alle heutigen Farben und Farbkombinationen in Europa vorhanden. Die englischen Kataloge weisen 18 gefüllte und 100 – 150 einfache bis halbgefüllte Sorten aus.

1897 wurde die Deutsche Dahlien-Gesellschaft in Berlin-Steglitz gegründet. Heute heißt sie Deutsche Dahlien-, Fuchsien- und Gladiolen-Gesellschaft e.V. (DDFGG). Ihre bebilderte Online-Datenbank umfasst heute rund 2400 Dahliensorten.

FunFact: Im Jahr 1874 ereignete sich ein bemerkenswerter Vorfall in Bezug auf die Dahlie. Zu dieser Zeit wurde eine neue Sorte nach Holland geliefert, jedoch waren alle Knollen in einem sehr schlechten Zustand und wurden sofort entsorgt. Eine der Pflanzen überlebte jedoch und wuchs auf dem Komposthaufen weiter. Glücklicherweise wurde sie entdeckt und weiter kultiviert. Diese spezielle Dahlie erhielt den Namen Dahlia juarezii, zu Ehren des mexikanischen Präsidenten Benito Juárez. Diese Dahlie zeichnet sich durch ihre spitz zulaufenden, nach hinten gerollten Blütenblätter aus und gilt als die Stammmutter aller Kaktus- und Semi-Kaktus-Dahlien. Diese Entdeckung und die nachfolgende Kultivierung von Dahlia juarezii hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Zucht von Dahlien. Sie bildete die Grundlage für die Entwicklung von Kaktus- und Semi-Kaktus-Dahlien, die heute eine beliebte und vielfältige Gruppe innerhalb der Dahlienfamilie sind. Der Vorfall zeigt auch, wie zufällige Ereignisse oft einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklungen in der Pflanzenzucht haben können.

Quellen:

https://www.ddfgg.de/dahlien/dahlien_geschichte.php

https://www.faz.net/aktuell/wissen/ab-in-die-botanik/geschichte-der-dahlie-und-ihrer-zuechtung-als-gartenblume-15097815.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Francisco_Hernandez_de_Toledo

Dahlien: Die schönsten Sorten und ihre Pflege

Faszinierende Dahlien von Naomi Slade (Autor), Georgianna Lane (Illustrator)


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